Denn es ist MEIN Weg
Birgit aus Nüziders
Hallo an Alle! Mein Name ist Birgit, ich bin 51 Jahre alt und eigentlich ist mein Leben so verlaufen, wie es sich für eine brave Vorarlbergerin gehört – verheiratet, 2 wunderbare Söhne. Und für meine Jungs waren diese Jahre es wert, so gelebt zu haben, denn sie sind das Wertvollste und Wichtigste in meinem Leben.
Nachdem mein Gatte mich mit einer anderen Frau ausgetauscht hat, war ich gekränkt, dass die Familie auseinanderbricht. Aber die Frage, warum es mich emotional kaum belastet, rückte in den Vordergrund.
Und dann ließ ich Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu, die ich bis dato in den Hintergrund gedrängt hatte.
Es begann eine Suche im Internet – nach Begriffen, Menschen, etc., mit denen ich mich identifizieren könnte. Und dann kam ein Auftritt von Tom Neuwirth und es war wie eine Tür, die sich öffnete. Ein Interview, in dem er die binäre Lebensform in Frage stellte und sein Satz: „Es soll jeder so Leben wie er/sie möchte, wenn man keinen anderen dabei verletzt“. Bumm, das war es – nonbinär/genderfluid. Es gab tatsächlich einen Begriff, der MICH definierte. Teilweise begleitet von Angst, aber doch überwiegend freudige Gedanken kreisten wochenlang in mir. Diese Erkenntnis hat mein Leben geändert. Für diesen Moment werde ich ihm zeitlebens dankbar sein.
Immer mehr und mehr konnte ich zu mir stehen und immer mehr und mehr war ich bereit, dies auch öffentlich zu tun. Im Zuge dessen wurden mir auch Situationen in meinem Leben erklärbar, die ich nie richtig einordnen konnte. Als Kind besuchte ich eine Klosterschule, indem das Thema „Sex“ sowieso ein Tabu darstellte. Mehr muss ich dazu nicht sagen. Dort wurde ohnehin jegliches Thema außerhalb der „christlichen Norm“ überhaupt nicht angesprochen.
Schon seit ich denken kann, haben mich homosexuelle Jungs wie ein Magnet angezogen, obwohl ich wusste, dass ich diesen nie gerecht werden konnte. Aber es war keine sexuelle Anziehung, eher eine Bewunderung.
Seit der Geburt meiner Kinder habe ich 40 kg zugenommen – nein, nicht durch die Schwangerschaft, sondern einzig und allein durchs zu viel Essen ;-). Meine Brüste waren für mich jedoch schon in den Zeiten eine Last, als ich schlank war. Es handelte sich um eine physische Belastung. Also beschloss ich, eine Brustverkleinerung durchführen zu lassen. Der Gedanke daran war „nett“, aber nicht befriedigend. Immer intensiver wurde der Wunsch, überhaupt keine Brust mehr haben zu wollen. Da ich im OP arbeite, ertappte ich mich immer wieder, wie mein Herz blutete, wenn eine Mastektomie aus GA-Gründen durchgeführt wurde.
Damit wendete ich mich zum plastischen Chirurgen meines Vertrauens. Zu meinem Glück ist dieser auch Teil der Community und nach einigen Gesprächen und einem zusätzlichen Termin mit einer Psychologin stimmte er zu.
Wichtig waren mir in dem Punkt lediglich meine Kinder, die zu meinem größten Erstaunen dem Gedanken der Operation sofort zustimmten. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Zweien bedanken, dass sie ihre Mama einfach so akzeptieren, wie sie ist.
Und was soll ich sagen? Ich war mir von Anfang an sicher, dass die Entscheidung zur Mastektomie richtig war.
Aber es kamen von den wenigen Menschen, denen ich es vorab mitteilte, Sätze wie: „Überleg es dir nochmal!“ Nein, es war und ist einer der besten Entscheidungen meines Lebens!!! Und vielen Dank an diejenigen, die mir zur Seite standen.
Der Nachteil, der sich aus der OP ergib, ist lediglich der, dass ich jetzt meinen Bauch sehe und endlich anfangen muss, wieder etwas für meinen Körper zu tun. Aber jetzt mach ich dies gerne, denn jetzt ist es MEIN Körper.
Wie schon erwähnt, habe ich mich einigen gegenüber schon geoutet und bei den wenigen Menschen, die mich direkt angesprochen haben, habe ich meine Identität nicht geheim gehalten. Mittlerweile wissen immer mehr Menschen meines Umfeldes über mich Bescheid und es hat mich doch verwundert, dass das Feedback eigentlich mehr positiv als negativ ausfällt. Auf Foren wie Facebook und Instagram habe ich meine Daten in Bezug auf das Geschlecht auf „Divers“ geändert.
Ich verbringe immer mehr und mehr Zeit in Wien, die Stadt, die ich mittlerweile als meine „queere Heimat“ bezeichne, in der ich mich wohlfühle und ich durchatmen kann.
Vor Kurzem hatte ich mit Christoph Feurstein ein Interview für die Sendung Thema, in dem „non-binäre“ Menschen zu Wort kommen. Da man in meiner Altersklasse ziemlich einsam auf diesem Weg ist, war es eine gute Gelegenheit, die Menschen darauf anzusprechen, dass es gut und in Ordnung ist, so zu leben wie man sich fühlt.
Wenn der Weg auch nicht immer leicht ist und Menschen, die einem wichtig sind, einem die Unterstützung entziehen, so ist es dennoch der RICHTIGE Weg, denn es ist MEIN Weg – und er macht mich glücklich.