Bringst du deine Freundin mit?
Carsten aus Röns
Eine kleine Frage, freundlich gemeint, einladend – und trotzdem immer eine große Entscheidung für den Gefragten: Oute ich mich? Passt es hier, dass ich mich bekenne? Ist das Gegenüber aufgeschlossen genug?
Auch bei Wohnungsbesichtigungen ist die Frage der Makler des Öfteren bei der Raumverteilung, wer denn welches Zimmer als Schlafzimmer nutzen wird. Und wieder die Entscheidung, wie gehe ich, wie geht mein Partner damit um? Was könnten Reaktionen auf ein Outing sein, bekommen wir unter Umständen unsere Traumwohnung nicht, weil wir zwei Männer sind?
Und was ist mit der Nachbarin, die im Treppenhaus schimpft und klar äußert, dass sie „sowas wie uns“ nicht im Haus haben will, weil sie nach einigen Monaten verstanden hat, dass es sich nicht um eine Wohngemeinschaft zweier Männer handelt, sondern um ein schwules Paar. Solche Situationen kennen vermutlich viele schwule Männer und lesbische Frauen – wie gehe ich mit alltäglichen Fragen um, passt es, wenn ich mich hier oute, oder ist die Reaktion darauf unter Umständen so unangenehm, dass eine Ausrede angenehmer ist. Dass ich drum herumrede und eben nicht stolz auf mich und meine Liebe bin.
Dabei sollte es das normalste der Welt sein: Man lernt sich kennen, die Blicke treffen sich, man flirtet, wird ein Paar, wird zusammen eingeladen, lernt gemeinsam neue Leute kennen, zieht zusammen, ist eine Familie. Doch nicht nur ich habe in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass es eben nicht normal ist. Dass Liebe zwischen zwei Menschen von Außenstehenden bewertet, gewertet und auch entwertet wird. Und so ist das Bekenntnis zur Liebe zwischen zwei Männern, zwei Frauen oder auch in polyamourösen Beziehungen nie nur Liebe, sondern in der Welt nach Außen immer auch ein Statement, eine Entscheidung: Lebe ich verdeckt, oder habe ich das Recht genauso stolz auf meine Liebe zu sein, wie es in heteronormativen Beziehungen Normalität ist? Hisse ich in Gesprächen mit Arbeitskolleg*innen meine Regenbogenflagge und mache Werbung für das Anderssein, wenn ich erwähne, dass zuhause mein Partner heute mit Kochen dran ist?
Erfahrungen machen Unsicherheiten, und auch deswegen habe ich mich entschieden im Juni auf meiner Terrasse eine Regenbogenfahne aufzuhängen. Um zu zeigen, dass wir selbstbewusste schwule Männer sind und auch gesehen werden können. Wir verstecken uns nicht, aber wir drängen uns auch nicht auf. Wir sind so normal wie jedes andere Paar auch.
Kostet es Mut und Überwindung „Pride“ zu zeigen und sich zu bekennen?
Vieles hat sich in den letzten Jahren verändert, soziale Normen sind einem beständigen Wandel unterworfen und durch die vielen Menschen, die in der Vergangenheit „Pride“ gezeigt haben, ist es heute viel einfacher zu sich zu stehen als es noch vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten war! Und somit gebührt jedem mein größter Respekt und auch Dank, der in der Vergangenheit zu sich und zu seiner Liebe gestanden hat und mein Leben dadurch leichter macht.
Ich hoffe, dass auch ich meinen Teil für diejenigen beitragen kann, die noch nicht den Mut aufgebracht haben stolz auf sich zu sein, die ihre Liebe versteckt leben müssen und Angst haben von Bekannten, Nachbar*innen, Arbeitgeber*innen, Kolleg*innen oder der eigenen Familie negative Kommentare oder sogar Ausgrenzung bis hin zu Gewalt zu erfahren.
Denn auch das gibt es 2020 immer noch, Menschen die Liebe zwischen anderen Menschen bewerten, entwerten und negativ darauf reagieren, obwohl es sie selbst noch nicht einmal betrifft.
Liebe ist ein großes Geschenk und ich bin dankbar für die Liebe, die ich erfahren darf. Und ich bin stolz auf das Leben, dass ich mit meinem Partner gemeinsam gestalte.
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