Liebe Pink Party
Tom aus Göfis
Liebe Pink Party, ich schreibe dir, um dir zu sagen, dass es mir Leid tut.
In all den Jahren ohne dich, ist mir klar geworden, was ich eigentlich an dir hatte. Als Lästerschwester der ersten Stunde hast du bestimmt mitbekommen, was ich alles hinter deinem Rücken gesagt habe: Zu teuer, zu schräg, zu aufdringlich, zu…schwul? War es das, was ich sagen wollte? Und war nicht eigentlich das, was damals mein Problem war?
Wie auch immer: Ich erinnere mich an unsere erste Begegnung in der Bühne 3 im Festspielhaus. Es war packend voll. Du hast dich in dein pinkes Kurzes geschmissen und ich bewunderte dich von oben bis unten. Ich war nervös. Es war mein erstes Mal. Aber ich war elektrisiert. Denn du warst laut, du hast nicht aufgehört zu tanzen, du hast mich solange in deinen Bann gezogen bis ich den letzten Zug verpasst habe. Seither weiß ich, was ein Taxi von Bregenz nach Göfis kostet.
Beim nächsten Mal warst du ein ganzes Stück größer. Du hast dir den Platz genommen, der dir zustand: Die Werkstattbühne. Es war nicht mehr so packend voll. Dafür hast du eines deiner Kinder mitgebracht – Kelly Heelton. Die erste Drag, der ich je begegnet bin. Ich hatte Angst vor ihr, dieser riesengroßen Schönheit mit einem lauten Maul und fiesen Sprüchen. Ich würde hinterher abschätzig über sie sprechen, weil sich das so gehörte, im ghörigen Ländle, wo man gerne mal sagte: „Könnrmr net einfach mol normal tua?!“
Aber du warst nie normal, Pink Party. Du hast das Normalsein verabscheut. Stattdessen hast du es uns allen unter die Nase geschmiert, dass Normalsein eben langweilig ist und sich daraus keine Show machen lässt. Liebe Pink Party: Du warst ein Showgirl! Und neben denen, die dich feierten, gehörte es dazu, dass es auch die gab, die dich nur deshalb sehen wollten, um über dich zu lästern. Das hat nur dazu beigetragen, dass dich noch mehr sehen wollten.
Sie kamen irgendwann aus Zürich, aus München, aus Stuttgart, selbst aus Frankfurt angereist. Bregenz erschien plötzlich auf der Landkarte der schwulen Partywelt. Ich werde sie nie vergessen: Die süßen Twinks die zu Lady Gagas Hits tanzten, die Bregenzerwälder Bären, die etwas erschrocken aber angetan am Rand standen und die beschwipsten Flirts mit den Raucher*innen draußen. Ich vergesse auch nicht das Schmusen mit dem Engländer, bei dem sich später herausstellte, dass er mein bester Freund im Kindergarten war. Und ich werde nie vergessen, wie frei sich das Tanzen mit dir angefühlt hat. Es gab für uns kein Morgen mehr und wir wollten jeden dieser freien Momente mit dir auskosten, weil wir eigentlich schon damals wussten, wie kostbar sie sein würden.
Irgendwann wolltest du mehr als nur eine Party sein. Im Regenbogenkleid und voller Drag-Montur hast du dich mit der Stadt Bregenz angelegt: Es sollte ein CSD werden. Du nanntest dein Kind Pridelake und wolltest, dass es groß und stark wird. Aber sie haben es verstoßen. Für dich hieß das: Ab ins Waldbad Enz nach Dornbirn, wo es niemand sehen konnte. Du hast bitterlich geweint, und trotzdem den Mut nicht verloren.
Liebe Pink Party, du warst natürlich nicht perfekt. Manchmal warst du arrogant, größenwahnsinnig, und ja, manchmal sogar eine richtige Diva. Aber du warst da für uns, beinahe 10 Jahre lang. Keine hat es so lang durchgestanden wie du. Keine hat sich so schön angezogen für uns. Keine hat so viele Menschen angezogen wie du. Und als du immer mehr von der Bildfläche verschwunden bist, ist uns klar geworden, dass du einmalig warst in dieser Geschichte. Wir wissen nicht, wie deine Väter Dieter und Manolo dich gezeugt haben, und möchten es uns auch nicht vorstellen, aber sie haben es gut gemacht.
Liebe Pink Party: Danke, dass du uns gezeigt hast, dass es neben „ghörig sein“ noch eine andere Kategorie des Seins im Ländle gibt:
Fabulous sein.
Ich vermisse dich!
Dein Tom
Die Pink Party war eine Partyreihe, die irgendwann zwischen 2006 und 2017 in Bregenz, Lochau, St. Gallen und Dornbirn stattfand und von Dieter Sapper und Emanuel Wiehl initiiert wurde. Mit diesem Beitrag möchte Mission Pride Danke sagen, denn ausgelassen und in sicherer Umgebung feiern zu können gehört für viele Menschen zu einem gelingenden Leben dazu.
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