Du, Mama, i hoas jetzt Fynn
Fynn aus Gaißau
Fynn ist trans und wünscht sich mehr Sichtbarkeit von Transmenschen im Ländle. Denn, dass er sich heute wohl fühlt, hat mit einer der sichtbarsten Österreicherinnen zu tun: Conchita Wurst.
Der Fototermin in der 9. Schulstufe. Fynn hat es wirklich versucht. Er hat für diesen Termin einen, heute sagt er „hässlichen grünen Pullover“ gekauft, schulterfrei, weiblich. So unwohl hatte er sich noch nie gefühlt. Es war nicht das unwohle Gefühl, wenn man nach dem*der Frisör*in mit einer schlechten Frisur nach Hause kommt. Es war anders. Er war anders. Fynn merkt, dass er sich im zugewiesenen Geschlecht unwohl fühlt. Aber: Darf man das? Auch wenn Fynn nicht religiös ist, so hat es lange gedauert, bis er diese Gefühle bewusst wahrgenommen hat, sie deuten und vor allem akzeptieren konnte.
„Mir ging es eine Weile sehr schlecht, ich bin nicht mehr aus dem Bett gekommen, weil ich all das nicht verarbeiten konnte.“, erzählt Fynn heute. In dieser Zeit fand auch der Eurovision Song Contest 2014 statt, bei dem die österreichische Drag Queen Conchita Wurst als Siegerin hervorging. Rückblickend betrachtet hatte Conchita Wurst wenig zu tun mit Fynns Transidentität, und trotzdem hat sie eine weltweite Diskussion über Geschlecht und Gender ausgelöst. Im Internet diskutierte und differenzierte man plötzlich zwischen Travestie, Transgender, Transsexualität. Fynn verschlang diese Artikel und merkte: Das bin ich. Ich darf das sein.
Dieses innere Bekenntnis war aber nicht genug, um Fynn aus seinem Tief heraus zu holen – im Gegenteil, denn gerade jetzt wurden die Fragen mehr. Irgendwann entschieden er und seine Mutter, dass er eine stationäre psychiatrische Betreuung braucht. Zwei Monate verbrachte er im Landeskrankenhaus Rankweil, wo er Noah kennenlernt – einen anderen Transmann in seinem Alter. Noah war schon etwas weiter, hat selbstständig viele Informationen gesammelt und diese mit Fynn geteilt. Zum Schluss seines Aufenthalts outete Fynn sich bei seinen Betreuer*innen als trans. Ihre Antwort: „Gut. Wir hätten eh nichts damit anfangen können.“
Nach seinem Aufenthalt würde Fynn es seiner 2 Jahre jüngeren Schwester sagen, die fast schon erleichtert meinte, dass sie sich eh schon immer einen älteren Bruder gewünscht hätte. Die Mutter war überraschend sachlich und meinte: „Wir finden da einen Weg.“ Und der Vater war noch ein Stück pragmatischer und meinte zu seinem Sohn: „Jo, denn müasr mr jetzt Häs ikofa go!“
Fynn wechselte die Schule. Am ersten Schultag würde die Lehrerin seinen alten Namen vorlesen. Und Fynn würde sich trotzdem als Fynn vorstellen. Seine Klassenvorständin zeigte Verständnis, seine Klassenkamerad*innen auch und akzeptierten Fynn von Anfang an. Problematisch waren eher die Schüler*innen aus den Parallelklassen und andere Lehrpersonen, die mit der Thematik nicht umgehen konnten. „In den Pausen war ich in einem konstanten Zustand des Mich-Erklärens, was nicht nur mühsam, sondern auch belastend sein kann, wenn es um die eigene Situation geht.“
Deshalb engagiert sich Fynn heute beim Verein GoWest für LGBTIQ in Vorarlberg auf viele Arten, damit es andere Transmenschen in Vorarlberg etwas leichter haben. Da gibt es die out@school Workshops, die ihm am Herzen liegen, weil die Schule für ihn selbst noch gar nicht so weit entfernt ist. Da gibt es die Beratungsanfragen von betroffenen und Angehörigen, die Fynn entgegen nimmt. Und da gibt es das freiräumle in Hohenems, ein wöchentlicher Treffpunkt für Trans* und Inter*, zu dem er junge Transmenschen begleitet.
Es passiert heute nicht mehr, dass Fynn als Frau gelesen wird. Was ihn früher frustriert hätte, kann er heute auf die leichte Schulter nehmen. Denn: „Ich fühle mich wohl, als Fynn. Das bin ich.“
Vorarlberg hat im Verhältnis zu seiner Größe eine engagierte Trans*-Community, die sich wöchentlich (!) im freiräumle in Hohenemes oder digital trifft. Mehr Infos dazu findest du unter freiraeumle.at.
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