Von der Privatsache zur Selbst-verständlichkeit
Dominik aus Hörbranz
Natürlich hatte Dominik Greißing etwas Medienaufmerksamkeit gerechnet. Aber dass am 27. Juni 2017 alle regionalen Medien über das Hissen der Regenbogenfahne in Hörbranz berichteten, hat ihm ein bisschen Sorge bereitet. Denn ein positives Symbol des Miteinanders, hätte dadurch schnell in eine spaltende Kontroverse führen können. Tatsächlich ist das Gegenteil passiert: Übereinstimmung.
Dominik Greißing ist der einzige NEOS-Gemeindevertreter in Hörbranz, lebt offen mit seinem Partner in der Marktgemeinde und setzt sich für LGBTIQ-Rechte in Vorarlberg ein. Nach einem Gespräch mit einem anderen Hörbranzer über die Schwierigkeit, offen als LGBTIQ-Mensch im Ort zu leben, beschließt er in Hörbranz eine Regenbogenflagge aufzuhängen. Sie soll ein Symbol sein, dass die offiziell gewählte Vertretung der Gemeinde auch an die LGBTIQ-Menschen im Ort denkt – besonders auch an jene, die nicht geoutet sind, von denen es immer noch einige in Hörbranz gibt.
Unter „Allfälligem“ bespricht Dominik Greißing sein Vorhaben mit der Gemeindevertretung. SPÖ, FPÖ und Grüne begrüßen die Idee, die ÖVP gibt kein Kommentar. Zwar sind Punkte unter „Allfälligem“ nicht abstimmungsrelevant, Dominik Greißing fühlt sich aber bestätigt, da in Hörbranz eine politische Sondersituation herrscht: Die ÖVP mit ihrem Bürgermeister Karl Hehle hat keine Absolute Mehrheit und ist in keiner Koalition.
Nichtsdestotrotz möchte Greißing den Bürgermeister nicht außen vor lassen. Er schickt eine Email mit einer ausführlichen Erklärung des geplanten Vorhabens an den Bürgermeister und die weiteren Fraktionsobleute. Vom Bürgermeister erhält er keine Antwort. 3 Wochen später die nächste Email. Dieses Mal meldet sich der Bürgermeister und erteilt dem Projekt eine Absage mit der Begründung, die sexuelle Orientierung sei eine Privatsache und hätte in der Öffentlichkeit nichts verloren.
Not macht kreativ
Die Enttäuschung bei Dominik Greißing ist groß, genauso groß wie seine Protestlust. Schnell findet er eine Lösung, um doch noch die Regenbogenflagge im Ort sichtbar zu machen. Er besucht persönlich die Nachbar*innen des Gemeindeamts, erläutert die Situation findet Unterstützung bei den Bewohner*innen gegenüber. Das Ehepaar habe überhaupt kein Problem damit, für ein paar Tage die Flagge an ihrem Baum aufzuhängen, Sorge bereitet höchstens, dass ein Ast des Baumes in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
Greißing organisiert eine Hissungsfeier mit Vertreter*innen der Vorarlberger LGBTIQ-Community und feiert den Erfolg. Fast ist er ein bisschen glücklicher über den Standort gegenüber des Gemeindeamts: Der Protest wird offensichtlich und auch für den Bürgermeister sichtbar. Was Dominik Greißing auch weiß: Es ist die erste Regenbogenflagge, die in einer Vorarlberger Gemeinde offiziell gehisst worden ist. Und durch die Medienberichte (Link ORF, vol.at) weiß das auch das ganze Land und spricht darüber. Protest geglückt?
Die Flagge: Ein Anstoß für Auseinandersetzung
Im nächsten Jahr geht Greißing geplanter vor. Er stellt einen offiziellen Antrag in der Gemeindevertretung. Aber nicht nur das. Er macht etwas, das er sonst als Politiker lieber meidet: Er teilt Privates und erzählt die persönliche Geschichte seines Outings. Während seiner Geschichte ist der Sitzungsraum der Gemeindevertretung mucksmäuschenstill. Es erzählt vom Gefühl, bei seinem Outing alleine gewesen zu sein mit der Situation und von all den Botschaften, die ihn nach diesem Schritt bestärkt haben. Die Regenbogenfahne soll als Zeichen dafür dienen, dass der öffentlichen Teil der Gemeinde Hörbranz hinter den LGBTIQ steht. Greißing beendet seine Rede wie üblich mit „Des han i euch halt sega wella“ – darauf folgen fünf lange Sekunden des Schweigens. Und dann: Applaus. Der Antrag wird einstimmig beschlossen.
Im Juni 2018 hängt an der meist befahrensten Straße in Hörbranz ein Banner in Regenbogenfarben. Und zur Hissungsfeier ist auch Bürgermeister Hehle anwesend. In diesem Jahr fühlt sich der Erfolg jedoch anders an, denn Greißing spürt, dass sich der Bürgermeister ehrlich mit den Themen rund um LGBTIQ befasst hat und versteht, worum es hier geht. Aus dem Unverständnis im Vorjahr ist Unterstützung geworden. Das merkt man daran, wie Hehle reagiert, als Greißing für das folgende Jahr wieder einen Antrag einreicht. Er winkt ab und meint, man könne sich einfach direkt beim Bauhof melden. Denn: „Das sei doch mittlerweile selbstverständlich!“