Ich konnte nicht mehr still sein
Theresia aus Bezau
Das Recht auf die Ehe für alle war für ÖVP-Landtagsabgeordnete Theresia Fröwis keine Frage der Parteizugehörigkeit. Sondern eine Frage der Menschlichkeit.
Trotz Grippe kam Theresia Fröwis zur ÖVP-Klubsitzung. Zu wichtig war ihr ein Tagesordnungspunkt, als dass sie zuhause hätte bleiben können. Und zwar ging es um den Antrag zur Öffnung der Ehe für alle, eingereicht von SPÖ und Grünen, der nun zur Vorbereitung auf die Sitzung im Vorarlberger Landtag im ÖVP-Klub verhandelt werden soll. Dort wurde der Punkt allerdings schnell durchgewinkt, mit dem nicht besonders überraschenden Ergebnis: Die Abgeordneten der ÖVP werden dem Antrag nicht zustimmen. Und Fröwis konnte nicht mehr still sein.
„Ich verlangte, dass man diesem Thema mehr Zeit widmen muss. Da waren die Kolleg*innen schon etwas überrascht und fragten, warum mir dieses Thema so wichtig wäre. Da war ich dann ganz direkt: Mein Sohn ist homosexuell und ich bin für den Antrag.“ Umstimmen konnte Fröwis die Partei nicht, aber zumindest erwirken, dass das Thema in einer anderen Sitzung ausführlicher behandelt würde, und dass sie selbst für den Antrag stimmen dürfte. An der Debatte sollte sie sich allerdings nicht beteiligen, entschied man gemeinsam.
Am Tag der Landtagssitzung wurde die Ehe für alle dann als einer der letzten Tagesordnungspunkte behandelt. Auf der Besuchertribüne haben sich Aktivist*innen versammelt und die Stimmung war aufgeheizt. Als von der Tribüne wüste Beschimpfungen gegen Fröwis’ Partei gerichtet wurden, meldete sich Theresia Fröwis – entgegen der Parteiabsprache – zu Wort und brachte sich in die Debatte ein: Auch im Landtag konnte sie nicht mehr still sein. Sie erzählte vor dem Plenum von ihrem schwulen Sohn, von Menschlichkeit und ihrer Auslegung christlicher Nächstenliebe. Aus den Beschimpfungen wurde ein Applaus. Und Theresia Fröwis brachte unerwartet einen Ball ins Rollen. Mütter von LGBTIQ-Kindern im ganzen Land bedankten sich nach dieser Aktion bei ihr für diesen Brückenschlag. Die LGBITQ-Community fühlte sich bestärkt von dem Zuspruch aus unerwarteter Richtung.
Angenommen werden, so wie Gott jemanden geschaffen hat
Ein Outing hält Fröwis dennoch nicht für zwingend nötig. „Am wichtigsten scheint mir, dass sich Menschen in einer Gemeinschaft angenommen fühlen. Ich weiß von schwulen und lesbischen Menschen aus dem Bregenzerwald, von denen es alle im Dorf wussten, aber man nicht darüber gesprochen hat – und das war, solange diese Menschen ein wertgeschätzter Teil der Gemeinschaft waren, auch kein Problem.“ Also keinen Druck machen, und sich auf die Werte besinnen, die Theresia in ihrer Heimat erlebt: Dass man so sein kann, wie Gott einen geschaffen hat. Ein Erlebnis ist Theresia Fröwis dennoch hängen geblieben. „Beim Friedhof wartete eine Frau auf mich um mit mir zu sprechen. Unter Tränen erzählte sie mir, dass wenn es vor 30 Jahren bereits solche Aussagen von der Politik gegeben hätte, ihr Sohn noch im Bregenzerwald leben würde, statt in Berlin.“ Das Schweigen scheint also doch Narben zu hinterlassen. „In 20 Jahren lacht man wahrscheinlich“, ist sich Fröwis sicher und wünscht sich „dass das Thema selbstbewusster verankert ist in Schulen und selbstverständlicher angenommen in der gesamten Gesellschaft. Denn etwas, das mit Liebe zu tun hat, kann nicht schlecht sein.“