Der Brückenbauer
Johannes Christoph aus Bregenz
Johannes Christoph (67) war 30 Jahre als Krankenhausseelsorger und Diakon in der Diözese Feldkirch tätig. Seine Tätigkeit als Lebens- und Sozialberater übt er weiterhin aus. Als schwuler Mann hat er immer wieder versucht, Brücken zwischen der katholischen Kirche und LGBTIQ-Menschen zu bauen. Manches ist ihm gelungen und vieles ist noch im Werden.
„Als ich jung war, gab es für mich eine ganz entscheidende Situation. Vier meiner Freunde wollten aus der Kirche austreten, weil sie die Institution nicht mehr für zeitgemäß hielten. Da habe ich in mir eine ganz starke Blockade gespürt..“, erzählt Johannes. In dieser Situation wurde ihm seine eigene Haltung bewusst: Nämlich, dass Veränderung von innen heraus entstehen kann und auch muss. „Ich kann nur etwas bewegen, wenn ich innerhalb der Kirche bin. Und wenn es der Kirche nicht passt, sollen sie mich halt rausschmeißen!“, sagt Johannes und lacht. Letzteres stand bis heute nie zur Diskussion, denn mit einem herzlichen, offenen und einladenden Menschen, wie die meisten Johannes Christoph wahrnehmen, ist die katholische Kirche in Vorarlberg wahrlich gesegnet.
Das Spannungsfeld zwischen Homosexualität und Glaube hat Johannes schon in seinen jungen Jahren begleitet, manche Zeiten beschreibt er als einen „unglaublichen Kampf“. Es gab sogar eine Zeit, in der er von sich selbst behauptete, ein „geheilter“ Homosexueller zu sein. Geändert hat sich dieses Selbstverständnis während seiner Ausbildung als Seelsorger in Salzburg. Einer der Ausbildner stellte eine irritierende Frage, nämlich, ob sich die Auszubildenden als Mann oder Frau fühlten. Darauf antwortete Johannes trotzig, dass es eine „saudumme Frage“ sei, und er sich sowohl als auch fühle. Obwohl die eigene Geschlechtsidentität für Johannes kein Thema an sich war, löste die Frage etwas in ihm aus, er war aufgewühlt. Als besagter Ausbildner Johannes noch ermutigte, genau das zu leben, was er sei, sei für Johannes erst einmal alles in ihm zusammengebrochen. „Aber, es hat wohl genau das gebraucht, dass ich für mich selbst erkenne: ‚Ich bin schwul.'“
Man muss etwas bewegen
Nach diesem inneren Bekenntnis fragte sich Johannes, wie er das Spannungsfeld konstruktiv innerhalb seiner Funktion als Seelsorger in der Kirche thematisieren könnte. Denn in seiner Arbeit begegnete er immer wieder homosexuellen Menschen, die in der Kirche keine Heimat fanden, also heimatlos in der eigenen Kirche waren. Bereits Anfang der 90er veranstaltet er eine Lesung zum Thema „Im Himmel kein Platz“ mit Maria Hauser im Landeskrankenhaus Bregenz – und gab damit einen ersten Anlass für eine Demonstration vor dem Krankenhaus. Aber selbst das lässt Johannes nicht kalt werden, im Gegenteil. Vor der Tür lädt er die Demonstrant*innen ein, möchte in Dialog treten, selbst wenn er damit keinen Erfolg haben sollte.
In den 90er-Jahren entstanden in den österreichischen Diözesen nach und nach Gruppen, die sich dem Thema Homosexualität annahmen. Sie luden Menschen zu gemeinsamen Treffen und Veranstaltungen ein, darunter Pfarrer, Nonnen und andere Funktionäre innerhalb der katholischen Kirche. „Die Netzwerktreffen fanden allerdings quasi im Geheimen statt. Immer wenn wir einen Saal gebucht haben, stand an der Tür nicht unser Veranstaltungstitel, sondern der Name jener Person, die den Raum gebucht hat.“ In Vorarlberg sollte sich dies ändern. Im Jahr 2015 entstand der diözesane Arbeitskreis Homosexuellenpastoral, der heute beim Ehe- und Familienzentrum der Diözese Feldkirch angesiedelt ist. Als das erste österreichische Vernetzungstreffen in St. Arbogast stattfand, hing an der Tür ganz deutlich: Vernetzungstreffen Diözesaner Arbeitskreis Homosexuellenpastoral und auch eine Regenbogenfahne hatte ihren Platz.
Von Rückschlägen und Visionen
„Für mich haben viele Verantwortliche in der Kirche vor allem ein Wahrnehmungsproblem. Oft wissen sie um die herausfordernde Situation ihrer homo- und bisexuellen Mitglieder Bescheid, aber nehmen diese einfach nicht wahr, respektiv verdrängen sie“, ist Johannes überzeugt. Diese fehlende Wahrnehmung führt auch dazu, dass Outings quasi im Sand verlaufen, als hätten sie nie stattgefunden, so werden viele mit ihren Fragen, Zweifeln, ihrem Suchen, alleine gelassen. „Viele haben Angst vor negativen Konsequenzen und outen sich nicht. Doch gerade dieses Schweigen, Verstecken und Verleugnen, zermürbt die betroffenen Frauen und Männer.“, meint Johannes.
Mit Gegenwind musste Johannes immer wieder umgehen. Zum Beispiel, als er 2019 In der Bregenzer Seekapelle mit dem Team der Regenbogenpastoral zu einem Gottesdienst einlud, zu dem vor allem LGBTIQ-Menschen und deren Freunde und Bekannte eingeladen waren. Viele sind der Einladung gefolgt. Darunter auch reaktionäre Menschen, die Johannes und Edgar Ferchl-Blum (Leiter der Regenbogenpastoral) wegen eines angeblichen Verstoßes, nämlich der Simulatio (Vortäuschung) der Eucharistiefeier beim Bischof „angezeigt“ haben. „Auch wenn an diesen Vorwürfen nichts dran war, das Verfahren selbst hat mich belastet. Für mich war das letztendlich ein homophober Angriff und ein Versuch, LGBTIQ-Menschen und diejenigen, die Partei für sie ergreifen, in der Kirche zum Schweigen zu bringen.“, bewertet Johannes die Situation heute. Die von PlanG zur Verfügung gestellte Ausstellung zum Thema: „Verschafft mir Recht“, die für 2 Tage in der Kapelle war, wurde während dieser Zeit mehrmals böswillig umgestellt, so dass die Bilder und Texte nicht mehr sichtbar waren.
Nach vielen Jahren des Engagements und des herausfordernden Dialogs ist Johannes zwar nicht müde geworden, aber aus manchen Bereichen hat er sich bewusst zurückgezogen. Dankbar und zuversichtlich schaut er zurück auf viele Initiativen, Begegnungen und Begleitungen, die heute Früchte tragen. Dazu zählt unter anderem der CSD in Bregenz. Er ist einer der wenigen CSD’s, bei dem Funktionäre der katholischen Kirche mitlaufen, was noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Nach vorne blickt Johannes weiterhin und hat eine Vision: „Ich wünsche mir eine Bewegung, mit Hunderten, Tausenden LGBTIQ-Menschen, die sich auf den Weg in den Vatikan machen, um einen gemeinsamen offenen Dialog zu starten. Und ich wünsche mir eine Kirche, die auch weiterhin den Mut und die Kraft hat, wirklich bei und mit den Menschen zu sein. Wir brauchen Brückenbauer auf beiden Seiten, Menschen, die aufeinander zugehen und sich gegenseitig wertschätzen in ihrem SO – sein .“
Begegnungen zwischen Kirche und LGBTIQ-Menschen ermöglichen, adäquate Seelsorge und Anwaltschaft für queere Menschen hat sich der Arbeitskreis Homosexuellenpastoral auf die Fahnen geschrieben. Mehr Informationen zu diesem Angebot der Katholischen Kirche Vorarlberg findest du hier.
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