Eigentlich ist das Montafon binär
Roland aus Schruns
Wer das Montafon kennt, ist wohl überrascht, dass es in Schruns eine Kunstausstellung zum Thema Queer gab. Wer das Kunstforum Montafon kennt, den überrascht nichts mehr. Eine Geschichte über queere Kunst im Tal.
Das Kunstforum Montafon habe schon immer etwas polarisiert, meint Roland Haas, der seit 15 Jahren die Ausstellungen kuratiert, und – wie er selbst sagt – keine Tabus kennt. „Seit unserer Gründung 1996 sind wir schon ein bisschen verschrien im Tal. Wir waren die ersten die Aktmalkurse angeboten haben, das war manchen schon zu viel des Guten.“ Dabei ist das Kunstforum Montafon durch seine hochkarätige Werksauswahl auch in internationalen Kreisen bekannt und einige Montafoner*innen haben den Wert dieser kleinen, aber progressiven Institution mittlerweile erkannt – und sind fast ein bisschen stolz.
Bei der Themenauswahl für das Kunstforum geht es Haas um eine stetige Gegenüberstellung zwischen den Themen der Region und aktuellen Themen der Welt. Konkret hieß das im Jahr 2018: Eine Ausstellung zur Geschichte der Schrunser Lodenfabrik. Und eine Ausstellung zum Thema Queer. Auf die Frage, warum sich das Kunstforum diesem Thema widmete, antwortet Haas: „Für mich strahlt dieses Thema eine Faszination aus, die weit über den Voyeurismus hinausgeht. Es ist ein Mix aus bunt – bizarr – schräg – fröhlich – sexy – bis hin zu radikal gesellschafts- und genderkritisch.“ Darüber hinaus gab es eine persönliche Beziehung, denn zwei Künstler*innen, die Jahre zuvor im Kunstforum ausgestellt haben, haben in der Zwischenzeit ihr Geschlecht geändert – Ashley Hans Scheirl sogar zweimal. Eine Studierende von Scheirl erwies sich als die ideale Ko-Kuratorin für diese Ausstellung: Julia Fuchs beschäftigte sich intensiv mit den Themen rund um Queer, sowohl künstlerisch als auch wissenschaftlich.

Foto: Roland Haas
Florian Aschka und Larissa Kopp, Julia Fuchs, Moritz Gottschalk, Martina Mina und Sabine Schwaighofer, Francis Ruyter, Michal Rutz und Julischka Stengele sind die beteiligten Künstler*innen, die in unterschiedlichen Medien wie Malerei, Fotografie, Video, Installation und Performance dem Begriff „Queer“ nachspüren. All diese Arbeiten sind geprägt vom Brechen der heteronormativen Grenzen. Queer ist eine sowohl provokative, als auch antiassimilatorische Haltung gegenüber der Norm und zeigen, dass die „Naturhaftigkeit“ von Geschlecht und Heterosexualität auf komplexe Art und Weise sozial hergestellt wird.
Und wie reagierten die Montafoner*innen? Überwiegend berührt. Die Besucher*innen waren vor allem bei der Performance von Alexandru Cosarca betroffen, die sich mit der Frage beschäftige „Wie politisch ist mein Körper?“. Und da gab es eine Dame aus dem Nachbarort, die einen schwulen Sohn hat, und sich überschwänglich bedankte für die Ausstellung – endlich spreche jemand mal diese Themen im Montafon an, und dann noch mit ästhetischen Mitteln. „Nur unser Vermittlungsformat für Schulen ließ sich zum ersten Mal in der Geschichte des Kunstforums nicht umsetzen: Keine Schulklasse wollte hier mitmachen.“, so Haas etwas enttäuscht.

Foto: Roland Haas
Was haben queere Haltungen aber nun mit dem Montafon zu tun? „Ich glaube, dass Landschaften etwas mit den Menschen und ihrer Mentalität machen. In einem Tal wie dem Montafon, da gibt es nur zwei Richtungen: Hinein oder hinaus. Man könnte fast sagen, das Montafon ist binär, so wie die binäre Geschlechterkonstruktion. Natürlich kann man auch auf die Berge hoch, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Vielleicht eine queere Geschichte.“
Wir bedanken uns für die Unterstützung der KULTUR-Zeitschrift. Teile aus ihrer Rezension zur Ausstellung von Ariane Grabher der Juniausgabe 2018 finden sich im Text wieder.
Mehr Informationen zur KULTUR-Zeitschrift unter: www.kulturzeitschrift.at
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