Vorarlberger Dream
Christian aus Feldkirch
Christian aus Feldkirch drehte nach seiner Matura einen Kurzfilm über ein Coming-Out im Ländle. Zehn Jahre später schaut er sich den Film noch einmal an und fragt sich: War das sein eigenes Coming-Out?
Ich werde öfters gefragt, ob der Kurzfilm mein „Coming Out“ als Video war. In Retrospektive ist da natürlich etwas dran, ich habe es damals aber überhaupt nicht so gesehen. Ich wollte eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte über ein Thema, über das meiner Meinung nach in Vorarlberg zu wenig gesprochen wird. Was das für mich selber bedeutet oder wie ihn andere in Bezug auf mich interpretieren werden, habe ich total ausgeblendet – dabei ist der ganze Film als „Ich-Erzählung“ aufgebaut.
Veröffentlicht habe ich den Film schließlich trotzdem erst, als mein Outing größtenteils abgeschlossen war und ich kurz vor dem studienbedingten Wegzug aus Vorarlberg stand. Ich hatte endlich die Selbstsicherheit und den Mut dazu gefunden. Zu groß war davor die Sorge, dass die Zuseher es als das sehen, was es in Wirklichkeit auch war: kein abstraktes künstlerisches Projekt, sondern die Verarbeitung meiner Unsicherheit, was meine eigene Sexualität betrifft, und die Frustration, die so oft mit den ersten zaghaften Dating-Versuchen einhergeht.
Ich habe viel darüber nachgedacht, warum ich damals so zu kämpfen hatte und was mich daran gehindert hat, früher mit mir selbst ins Reine zu kommen. Am meisten gefehlt haben mir schwule Bezugspersonen. Ich bin noch gar nicht so alt und trotzdem kommt es mir vor wie eine andere Welt, wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke. Ich kannte niemanden, der schwul war. Auch in Medien war es lange nicht so präsent wie heute. Schwul sein war etwas Abwegiges – nicht unbedingt etwas Grauenhaftes, aber etwas Lächerliches. Hier hat sich in den letzten Jahren viel verändert, aber ich maße mir nicht an, beurteilen zu können, wie es heute für LGBT-Jugendliche in Vorarlberg ist. Ich hoffe, dass sie es durch die größere Präsenz des Themas leichter haben, ihre eigenen Gefühle einzuordnen und damit umgehen zu können.
Als die erste Coming-Out-Phase vorbei war, gingen mir am ehesten Treffpunkte ab. Orte, um Gleichgesinnte kennenzulernen, oder auch einfach nur Parties. So etwas lässt sich aber nicht erzwingen. Obwohl wir uns manchmal gerne so sehen würden, macht auch eine S-Bahn aus dem Rheintal noch keine Großstadt. Es wird sich wohl so schnell auch nicht verändern, dass es besonders schwule junge Männer in größere Städte zieht, wo es bereits ein Mehr an schwulem Leben gibt.
Gerade deswegen müssen wir dafür sorgen, dass junge Vorarlberger_innen sehen, dass es LGBT auch hier gibt und dass wir ganz normale Leute sind. Sichtbarkeit zu schaffen ist das aller Wichtigste. Ich finde es daher notwendig, dass Vorarlberger Persönlichkeiten – seien es Menschen aus Kultur, Politik oder Sport – offen über ihre sexuelle Orientierung sprechen. Ich glaube, es hätte einem 15-jährigen Feldkircher im Jahr 2006 sehr gut getan, einen schwulen Fußballer oder Landesrat in Vorarlberg Heute zu sehen.
Jeder kann hier etwas beitragen. Sichtbarkeit bedeutet für mich in erster Linie nicht, Regenbogenfahnen zu hissen, sondern sich nicht zu verstecken. Es gibt LGBT-Personen in allen Gemeinden, Berufen und Altersklassen.
Wenn ich heute als fast-30-Jähriger nach Vorarlberg komme, ist nicht mehr viel von der Unsicherheit von früher übrig. Ich versuche so offen wie möglich mit meiner sexuellen Orientierung umzugehen. Ich kann jedoch nicht leugnen, dass auch ich hin und wieder noch mit den alten Ängsten zu kämpfen habe. Wir sollten uns davon aber nicht beirren lassen, sondern den Jüngeren die Vorbilder sein, die wir uns gewünscht hätten.
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