Aktivistisch, weil sensibel.
Anna aus Bizau
Anna (18) aus Bizau erzählt uns von fehlenden Seiten im Biologiebuch, fehlenden Vorbildern in Bizau und fehlenden Wortmeldungen bei Diskriminierung. Und von einem Aktivismus, der Sensibel-Sein erfordert.
„In Bizau ist es so eine Sache“, beginnt Anna unser Gespräch. „Ich habe mich zwar nie öffentlich geoutet, aber die Leute können es sich glaub denken. Generell kommt mir vor, dass die Leute am liebsten über andere sprechen, als mit den Menschen direkt.“ Und dann gibt es noch das große Schweigen. Für Anna ist das Schweigen auch eine Form der Diskriminierung – und dabei eine nicht ganz Unwesentliche. Denn wenn man diskriminierende Aussagen schweigend hinnehme, erzeuge das eine Atmosphäre der Angst für Betroffene.
Was Anna in Bizau vermisst, sind LGBTIQ-Vorbilder. „Es gibt keine Älteren, die noch hier sind, oder zumindest weiß man nichts von ihnen.“ Das sei mitunter ein Grund, warum queere Menschen auch Bizau eines Tages wohl verlassen. „Aber wer weiß. Vielleicht kann ich eines Tages eines dieser älteren Vorbilder sein!“ Um ein Vorbild zu werden muss Anna allerdings nicht alt werden, denn mit ihrem Engagement bei der Aktion kritischer Schüler_innen und in der Landesschüler_innenvertretung ist sie schon heute eine Person, die Vorarlberg aktiv mitgestaltet.
Die Aktion kritischer Schüler_innen ist die größte Schüler_innenorganisation Österreichs in der junge Menschen sich aktivistisch und vernetzend für gesellschafts- und bildungspolitische Themen einsetzen. Eines ihrer Schwerpunkte sind die Anliegen von jungen LGBTIQ-Menschen, und die Frage, wie Schulen diskriminierungsfreie Orte sein können, in denen sich queere Jugendliche entfalten können. Die Aktionen der aks prägen auch Vorarlbergs Schulen, wie zum Beispiel die Anti-Homophobie-Kampagne „Du hasst mich nur, weil ich dich lieben könnte“ oder dem Projekt „Die fehlenden Seiten des Aufklärungsunterrichts“, mit dem die aks selbst die Sexuallehre an Schulen ergänzt.
Zwischen safe spaces und Mikroaggressionen
Viele queere Menschen suchen sich Orte, an denen sie sich frei entfalten könne. Obwohl sich Anna in ihrer eigenen Klasse wohl fühlt, ist sie überzeugt, dass auch unser Schulsystem nicht unbedingt ein safe space für alle queeren Menschen ist. Anna erzählt von einem generell veralteten Sexualkundeunterricht in der Unterstufe, Biologiebüchern, die meistens ausschließlich Heterosexualität behandelten und Mikroaggressionen in der Gesellschaft. Als Mikroaggressionen bezeichnet man übergriffige Äußerungen im Alltag, durch die Normen und Ausschlüsse manifestiert werden. „Gerade für junge Menschen, die nicht geoutet sind, sitzen solche Sätze tief. Manche erinnern sich noch Jahre nach ihrer Schulzeit an solche Sätze und merken, dass diese einen großen Teil dazu beigetragen haben, sich jahrelang zu verstecken.“, erklärt Anna und spricht sich dafür aus, aktiv gegen diese Mikroagressionen vorzugehen, indem man sie anspricht und reflektiert.
Wenn Erwachsene beschwichtigen und meinen, dass die Jungen heute doch eh kein Problem mehr mit LGBTIQ-Themen hätten, entgegnet Anna: „Nur weil etwas besser geworden ist, heißt es noch lange nicht, dass es gut ist.“ Die immer prekärer werdende Situation für LGBTIQ-Menschen in Polen hat Anna besonders betroffen gemacht: „Das muss man sich alles einmal vorstellen. Ich denke mir, das könnte genau so mir und meinen Freund_innen passieren.“ Ganz generell ist Anna überzeugt, dass man für Aktivismus nicht nur die Augen, sondern auch das Herz offen halten muss. „Ich bin eine sehr sensible Person. Mich lassen Ungerechtigkeiten nicht kalt. Und ich glaube deshalb setze ich mich in meiner Freizeit ein: Für eine bessere Zukunft.“
Die Aktion kritischer Schüler_innen hat gemeinsam mit dem Verein GoWest das Projekt out@school initiiert und setzt sich seit Jahren lautstark gegen die Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen ein. Mehr Infos zur aks unter www.aks.at
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