I bin immer so gsi!
Anna Maria aus Götzis
Von Thomas spricht Anna Maria am liebsten in der dritten Person. Gebürtig in Wien lebt sie seit über einem Jahr in Vorarlberg und ist überzeugt: Nur wer sein wahres Ich lebt, kann gute und langfristige Beziehungen aufbauen.
Dass Anna Maria 47 Jahre lang in Wien und Niederösterreich gelebt hat und erst seit knapp über einem Jahr in Vorarlberg wohnt, hört man ihr nicht an. Bei Sätzen wie „Es isch boda schwierig gsi“ oder „Jo mol, i luag denn scho o ufs Häs“ geht sie als waschechte Vorarlbergerin durch. Anna Maria fühlt sich so wohl im Ländle, dass sie innerhalb kürzester Zeit den Dialekt übernahm.
Einen ähnlichen Weg geht Anna Maria mit ihrer Geschlechtsidentität: Es war und ist ihr wichtig, eben nicht aufzufallen und nur als Frau gelesen zu werden. „Ich möchte selbst entscheiden, wann ich mich erkläre oder andere Menschen über Geschlechtsidentität aufkläre. In den meisten Situationen genieße ich es deshalb, einfach als ganz normale Frau wahrgenommen zu werden. Das war mein Ziel.“ Es verwundert deshalb auch nicht, dass Anna Maria „bis ans andere Ende von Österreich“ gezogen ist, um sich bei ihrem neuen Umfeld von Anfang an als Anna Maria vorstellen zu können. Mittlerweile wohnt sie in Götzis und fühlt sich dort wohl.
Ihr wahres Ich leben: Und dabei Beziehungen neu aufbauen.
Anna Maria ist nicht nur als Nachwuchstrainerin im Volleyballclub Rankweil tätig, sondern auch ehrenamtlich für Presse und Medien beim Vorarlberger Volleyballverband. Zusätzlich engagiert sie sich politisch bei den NEOS Vorarlberg, geht ganz offen auf Menschen zu und ist mittlerweile sehr gut vernetzt im Ländle. Das war nicht immer so. Wenn Anna Maria von ihrer früheren Identität spricht, dann spricht sie von Thomas – in der dritten Person. 47 Jahre habe er sie begleitet, doch dann hat sie Abschied von ihm genommen. „Thomas erschien oftmals unnahbar, manche Menschen haben ihn auch teilweise als überheblich wahrgenommen.“, erinnert sich Anna Maria und fügt hinzu: „Ich denke, dass wenn man in sich stimmig ist, man das auch ausstrahlt und dadurch offener anderen Menschen begegnen kann. Das sind für mich dann wunderschöne Erfahrungen, die mein Leben bereichern.“
Chancen sehen.
Lange dachte Anna Maria, dass sie nicht sein dürfe, sie womöglich sogar krank sei. Ihre Identität versteckte sie lange, denn in der Zeit und in der Gesellschaft, in der Anna Maria aufwuchs, da gab es dieses Thema einfach nicht und wenn, dann war es oftmals negativ behaftet. Im Frühjahr 2017 hat Anna Maria dann die Entscheidung getroffen, ihre „Reise zu ihrem wahren Ich“ zu beginnen und hat sich die notwendigen Gutachten mittels ihrer fallführenden Psychotherapeutin eingeholt. Kurz danach kam es aber zu einen Überfall auf Anna, bei dem sie fast ums Leben gekommen wäre. „Es klingt komisch das zu sagen. Aber dieser Überfall war die letzte Bestätigung, dass es richtig ist, zum wahren Ich zu stehen und meinen Weg zu gehen.“ Anna hat dann im Sommer 2018 mit der Hormontherapie begonnen, outete sich kurz vor Ihrem 48. Geburtstag persönlich bei Familie und Freunden, danach auf Social Media und zog nach Vorarlberg.
Das Ländle: Eine richtige Entscheidung
Es gibt kaum Zufälle und es hat alles so sein sollen. Eigentlich wäre Anna Marias geschlechtsangleichende Operation nämlich erst 2021 in Wien vorgesehen gewesen. Eine durch den Volleyballsport notwendige Schulteroperation ließ sie im Mai 2019 im LKH Feldkirch durchführen. Hier erfuhr Anna, dass der neue Leiter der Plastischen Chirurgie unter anderem auch auf geschlechtsangleichende Operationen spezialisiert ist. Als ihr vom Primar Dr. Djedovic der erste verfügbare Termin vorgeschlagen wurde, musste Anna Maria ein zweites Mal nachfragen: Denn tatsächlich war es genau ihr Geburtstag. „Irgendwie hat mich das noch einmal bestärkt.“ Mittlerweile hat sie die Operation erfolgreich hinter sich gebracht, fühlt sich angekommen in ihrem richtigen Körper und sagt: „Zu mir zu stehen, mein wahres Ich zu leben war die wichtigste Entscheidung in meinem Leben. Ich bin endgültig angekommen, bei mir, in meinem Körper und im Ländle.“
Anna Maria rät den Menschen, sich Freund*innen anzuvertrauen, denn sie können einem die notwendige Stütze sein und zeigen, dass man nicht alleine ist. Und wenn sich Menschen distanzieren, dann gehören sie nicht in dein Leben und dann ist das vielleicht auch eine Chance neu anzufangen: Vielleicht am anderen Ende von Österreich.