Vorarlbergs mutigster Heiratsantrag
Tanja und Ines aus Mäder
Tanja hat sich nicht getraut, Ines anzusprechen. Und eigentlich war Tanja gar nicht Ines’ Fall. Sechs Jahre später nahm Ines ihren ganzen Mut zusammen und machte ihrer Geliebten einen Heiratsantrag: Vor 500 Leuten.
Es begann an einem Abend im Feldkircher möbelle. Tanja besuchte zum ersten Mal den {hobit-hock, einem selbstorganisierten Treffpunkt von jungen Schwulen und Lesben. Schnell fand sie Anschluss an Tom, der schon mehr Leute kannte als Tanja und zusammen gingen sie alle Gäste durch. Da war Beate, die beste Freundin, die eigentlich hetero war, Dominik, sein erster schwuler Kontakt in Vorarlberg, und da war Ines, die gerade eine Trennung hinter sich hatte. „Lieber die Finger von ihr lassen“, meinte Tom. Doch von da an war es um Tanja geschehen. Sie wollte Ines unbedingt ansprechen. Nur der Mut fehlte. Einen ganzen Abend wartete Tanja; zu lange, denn Ines machte sich schon bald auf den Weg nach Hause. Beim Verabschieden von der Runde sprang Tom auf, zog Tanja mit und meinte zu Ines: „Und das ist übrigens Tanja!“
Die folgenden Wochen würden Chats am Computer folgen, Dates in Bregenz am See, und vor allem lange Telefonate. So lange, dass Tanjas Vater für sich entschieden hat, dass seine Tochter wohl mit dem Mädchen am anderen Ende der Leitung zusammen sein müsste. Kurze Zeit später würde er Recht behalten. Am 7.7.2012, Tanjas 18. Geburtstag, kamen die beiden zusammen.
Sechs Jahre später standen Tanja und Ines in der Warteschlange zum Konzert ihrer Lieblingsband „Sleeping with Sirens“. Es war nicht das erste Mal, schon öfter war das Paar in der ersten Reihe gestanden, die Band kennt die beiden mittlerweile vom Sehen. Doch dieses Mal sollte es unvergesslich werden. Ines erzählt:
„Mein T-Shirt klebte schon am verschwitzten Körper, doch ich sprang weiter wie wild auf und ab. Noch war alles im Plan. Und ganz in meinem Element merkte ich gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Es wurde wieder dunkel und die Band verschwand von der Bildfläche. Aus, vorbei. Mein sehnlichster Wunsch wurde nicht erhört.
Es breitete sich eine Enttäuschung in mir aus, denn ich hatte mehr von dieser Nacht erhofft. Da erhellte sich die Bühne erneut, und die Musiker kamen nochmals zum Vorschein. Kellin, der Sänger, griff zum Mikrofon und bat die Security um Hilfe.
Ich dachte mein Herz bleibt stehen und mein Kopf spielte verrückt. Die Security kam direkt auf mich zu, zog mich mit einem Ruck über die Absperrung und hob mich auf die große Bühne. Ich stand da wie auf Wackelpudding und zitterte am ganzen Leib.
Auch Tanja wurde aus der Menge gefischt und zu mir auf die Bühne gebracht. Die Fans kreischten wie wild drauf los. Das Gefühl da oben zu stehen, vor hunderten Menschen, war einfach unbeschreiblich. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper.
Kellin hielt mir sein Mikro hin und meinte, dass ich wohl etwas zu sagen hätte. Ich griff danach und ab diesem Zeitpunkt war ich nicht mehr Herr über meine Tränen.
Sprachlos ging ich vor meiner Freundin auf die Knie, griff nach ihrer Hand, blickte in ihr Gesicht und fragte mit zittriger Stimme, ob sie mich heiraten möchte.
Alles um mich herum war ausgeblendet. Ich hatte nur Augen für Tanja, und sie … nickte. Blitzartig realisierte ich, dass ihr Nicken ‚JA’ bedeuten würde. So sprang ich auf, fischte mit zittrigen Fingern irgendwie den Ring aus meiner Hosentasche und steckte ihn meiner Zukünftigen an. Wir küssten uns leidenschaftlich, während die ganze Halle dazu jubelte.“
Heute stehen Ines und Tanja mitten in den Hochzeitsvorbereitungen, es wird über Ringe, Anzüge und Hochzeitskleider diskutiert. Die Ehe für alle in Österreich kam für die beiden genau im richtigen Jahr. Das Paar ist zufrieden in Vorarlberg und erfährt überwiegend Akzeptanz. Doch manchmal gebe es auch heute Situationen, in denen sich die beiden genau überlegen, ob sie als Paar auftreten können. „Wir gehen zwar immer offen damit um, dass wir ein Paar sind. Manchmal wird es uns aber nicht geglaubt, zum Beispiel wenn wir eine Partnerkarte für einen Messeeintritt bestellen. Und in manchen Situationen fühlen wir uns in der Öffentlichkeit einfach nicht sicher – da lassen wir dann unsere Hände los.“
Tanja und Ines finden es deshalb nach wie vor wichtig, sich für LGBT-Rechte zu engagieren. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, auf dem CSD in Bregenz mitzulaufen. Wenn sie sich etwas in Vorarlberg wünschen könnten, dann mehr regelmäßige Treffpunkte – denn auf so einem haben sich die beiden auch kennengelernt. Wenn das Paar eine Regenbogenfahne sieht, dann kommt bei ihnen Freude auf: „Da fühlt man sich willkommen, und wir erinnern uns daran, dass da eine große Gemeinschaft ist, die uns als Paar sieht und sich mit uns über unsere Liebe freut!“
Für alle, die queere Menschen in gemütlicher Atmosphäre kennenlernen möchten: Den {hobit-hock gibt es noch/wieder. Alle Infos dazu findest du hier.